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Rückblick auf KZF-Event #5: Kritik-Werkstatt – Intensive Auseinandersetzung mit dem Kritik-Begriff

Am 9. September 2024 fand unser neuestes KZF-Event statt, dieses Mal in einem praxisnahen Werkstatt-Format. Ziel war es, sich gemeinsam dem Kritik-Begriff anzunähern: Ist Zukunftsforschung nicht immer kritisch? Was bedeutet „kritisch“ überhaupt, und warum ist es wichtig? Diese Fragen standen im Mittelpunkt unserer Diskussion zum Thema Kritik.

„… Was für das kontinuierliche Wachstum des Wissens gebraucht wurde, war eine Tradition der Kritik. Vor der Aufklärung war das eine sehr seltene Tradition: Normalerweise war der Sinn einer Tradition, Dinge unverändert zu lassen.“ – D. Deutsch, The Beginning of Infinity, S. 13

Der Beitrag wurde von Jannis Hülsen im Pingpong mit Jonas Drechsel geschrieben.

Vorbereitung der Kritik-Werkstatt

Die Kritik-Werkstatt war das Ergebnis monatelanger Arbeit eines Kernteams. Nele Fischer (kritische Zukunftsforscherin), Oliver Lauenstein (Experte für kritische Theorie und Psychologie), Jordi Tost (Doktorand für kritisches Design) und Jonas Drechsel (Mitgründer der KZF-Community) beschäftigten sich intensiv mit verschiedenen Konzepten der Kritik und ihrer Anwendung in der Zukunftsforschung.

Das Projekt begann im Mai mit der Idee, Kritikstufen zu entwickeln, ähnlich wie bei den Stufen der Partizipation. Dabei merkten wir aber schnell, dass Stufen der Kritik unerwünschte Hierarchien suggerieren könnten.

Das Ziel war, einen ersten Prototyp für ein Kritik-Framework zu entwickeln, das in der Werkstatt getestet werden sollte.

Die Kritik-Matrix und Breakout-Sessions

Der Workshop begann mit einem interaktiven Einstieg, bei dem Momente der Kritik und berühmte Kritiken auf einem Board festgehalten wurden. Dies führte sofort zu angeregten Diskussionen und prägte die weiteren Gespräche.

Nach der Vorstellung der Kritik-Matrix wurden Gruppen gebildet, um die Matrix anhand von Beispiel-Fragen zu testen.

In der Gruppe des Autors wurde ein Szenario diskutiert, in dem ein Vorstand sein eigenes Team emotional kritisiert. Dabei wurden theoretische Fragen zur Kommunikation besprochen. Der Fokus lag auf der Rolle von Emotionen und der Art, wie explizite und implizite Botschaften vermittelt werden.

Die Gruppe beschäftigte sich auch mit der praktischen Anwendung der Matrix, wobei besonders die vertikale Achse (Was, wer, wie, warum) im Mittelpunkt stand. Auch der Rahmen, in dem Kritik geäußert wird (Zeitpunkt, Ort, Beziehung), wurde diskutiert.

Es wurde klar, dass die „Stufen der Kritik“ nicht hierarchisch sein sollten, aber als Kategorien hilfreich waren. Darüber hinaus boten die W-Fragen (z. B. „wo“ und „wann“) viel Diskussionsstoff und wurden in den Gruppen unterschiedlich interpretiert.

Im abschließenden Austausch zeigte sich, dass die Matrix vor allem zur Selbstreflexion des Kritisierenden anregte, aber auch als Entwurfswerkzeug dienen könnte. Eine wichtige Frage war der mögliche Effekt und das Ziel der Kritik.

Feedback und Ausblick

Der Austausch zeigte, dass großes Interesse daran besteht, sich weiter mit dem Thema Kritik zu beschäftigen. Die Referenz zu den Stufen der Kritik war für viele hilfreich, aber die Anordnung der Kritikformen und die Anwendung der Matrix müssen noch vertieft werden. Vor allem die Einbeziehung von Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen über die W-Fragen führte teilweise zu Verwirrung.

Der Spannungsbogen zwischen Selbstkritik, Kritik als Entwicklungsmotor und Kritik als Selbstzweck (oder emotionaler Ausdruck) bleibt ein fruchtbares Thema für weitere Diskussionen. Es wurde auch rege über das Gegenteil von Kritik (z. B. Lob oder Schweigen) diskutiert. Ebenso war der normative Rahmen der Kritik, also der kulturelle Einfluss, ein großes Thema.

Im November wird es ein weiteres Event zu diesem Thema geben. Stay tuned – mehr Kritik incoming!



		
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Rückblick auf das KZF-Communityevent #4: Futures Circle mit Wenzel Mehnert

Am 17. Juni 2024 fand das vierte virtuelle Community-Event der Kritischen Zukunftsforschung (KZF) statt, an dem zahlreiche Teilnehmer online zusammenkamen, um ein neues Modell kennenzulernen und auszuprobieren. Für dieses Event konnten wir Wenzel Mehnert gewinnen, einen erfahrenen Forscher an der Schnittstelle von Science and Technology Studies, Technikfolgenabschätzung und Zukunftsforschung und von Anfang an ein Freund und Unterstützer von KZF, der uns sein frisch publiziertes Framework Futures Circle vorstellte.

Für die Eventzusammenfassung wurde ChatGPT genutzt.

Einführung in das Futures Circle Framework

Zunächst stellte Wenzel uns sein frisch publiziertes Futures Circle Framework vor. Dieses Modell dient dazu, die Art und Weise, wie wir über die Zukunft neuer Technologien nachdenken und sprechen, zu dekonstruieren. Wenzel betonte die Notwendigkeit, technologische Entwicklungen nicht nur aus einer rein technischen Perspektive zu betrachten, sondern auch ihre sozialen, ethischen und ökologischen Auswirkungen zu berücksichtigen.

Schlüsselaspekte des Vortrags: Präfiguration, Konfiguration und Refiguration

Das Futures Circle Framework ist ein analytisches Werkzeug zur kritischen Untersuchung von „Technik-Zukünften“ – medial vermittelten Aussagen über zukünftige technologische Entwicklungen und deren Auswirkungen. Es basiert auf drei Perspektiven: Präfiguration (kulturelle Vorannahmen), Konfiguration (Form und Kontext der Präsentation) und Refiguration (Rezeption und Auswirkungen). Das Modell zerlegt Technik-Zukünfte in „Wenn-Dann“-Aussagen und ermöglicht so eine strukturierte hermeneutische Technologiebewertung. 

Ziel ist es, die Konstruktion und Bedeutungszuschreibung von Technik-Zukünften zu verstehen, kritisch zu hinterfragen und ggf. Technik-Hypes zu entlarven. Dabei liegt der Fokus nicht auf der Technologie selbst, sondern auf den damit verbundenen Zuschreibungen und Vorstellungen. Dieses Framework ist besonders relevant für die Analyse emergierender Technologien und deren gesellschaftliche Wahrnehmung und Akzeptanz.

Interaktive Gruppenarbeiten: Von der Theorie in die Praxis

Nach der theoretischen Einführung hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, das Futures Circle Framework in praktischen Gruppenarbeiten anzuwenden. Auf einem Miro-Board dokumentierten sie ihre Ergebnisse und diskutierten diese anschließend im Plenum. Die Gruppen setzten sich mit verschiedenen Technik-Zukünften auf Basis einzelner Artikel auseinander und erarbeiteten gemeinsam mögliche Auswirkungen neuer Technologien. Diese interaktive Phase des Events wurde von den Teilnehmern besonders positiv aufgenommen, da sie die Theorie direkt in die Praxis umsetzen konnten.

Diskussionsrunde und Feedback: Vertiefung und Anwendungsmöglichkeiten

Die abschließende Diskussionsrunde bot Raum für Fragen und vertiefende Gespräche. Die Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, um spezifische Aspekte des Futures Circle Frameworks zu beleuchten und sich über ihre eigenen Erfahrungen auszutauschen. Wenzel Mehnert beantwortete zahlreiche Fragen und gab wertvolle Anregungen für die Anwendung des Modells in unterschiedlichen Kontexten. So wurde ein frisch veröffentlichtes Paper von unserer Community mit Leben gefüllt.

Fazit: Das Futures Circle Framework als ein praxisnahes Werkzeug

Das erfolgreiche vierte KZF-Communityevent bot den Teilnehmer*innen wertvolle Einblicke in die hermeneutische Technikfolgenabschätzung – auch und gerade, weil man vorher nicht genau wissen musste, was das überhaupt ist. Das Futures Circle Framework von Wenzel Mehnert erwies sich als ein vielseitiges und praxisnahes Werkzeug, das sowohl in der Forschung als auch in der Praxis Anwendung finden kann. Wir freuen uns auf zukünftige Events und den weiteren Austausch innerhalb der KZF-Community.

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Causal Layered Analysis im Fokus: Rückblick auf das KZF-Communityevent #3

Am Vormittag des 9. April trafen sich Mitglieder und Interessierte der kritischen Zukunftsforschungs-Community beim mittlerweile dritten Event. Schon vor dem offiziellen Beginn um 9 Uhr versammelten sich die Teilnehmenden in einem virtuellen Raum, um mit einer Tasse Kaffee auf die Tiefen der Causal Layered Analysis (CLA) vorzubereiten. Diese von Sohail Inayatullah entwickelte Methode stand im Mittelpunkt des Treffens. In zwei Impulsen wurden 1. die Methode und 2. ein konkreten Beispiel vorgestellt. Die Veranstaltung war geprägt von intensivem Austausch und produktivem Weiterdenken, wobei jede*r Teilnehmer*in die Möglichkeit hatte, sich aktiv einzubringen und persönliche Erkenntnisse zu teilen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die vorgestellten Impulse und die inspirierenden Diskussionen, die unsere virtuelle Community bereichert haben.

Impuls 1: CLA-Methodenvorstellung von Isabelle Voung

Isabelle Voung stellte sich der Herausforderung, die komplexe Causal Layered Analysis (CLA) von Sohail Inayatullah in nur 10 Minuten zu erläutern. Zu Beginn ihres Vortrags skizzierte sie den biographischen Hintergrund Inayatullahs und erläuterte, wie seine Erfahrungen als pakistanisch-australischer Politikwissenschaftler zwischen Ost und West die Entwicklung der CLA beeinflusst haben. Die Methode, die darauf abzielt, hegemoniale westliche Sichtweisen herauszufordern, dekonstruiert und rekonstruiert Zukünfte durch das Aufdecken von Schichten – von offensichtlichen Phänomenen bis hin zu tiefen, lang anhaltenden kulturellen Prägungen.

Voung erläuterte, wie die CLA durch vier Ebenen navigiert: von der oberflächlichen Litanei über systemische Ursachen und Weltanschauungen bis hin zu den tiefen Mythen, die unsere Wahrnehmung der Realität prägen. Dieser Ansatz ermögliche eine kritische Auseinandersetzung mit verborgenen Machtstrukturen und fördere ein umfassenderes Verständnis gesellschaftlicher Probleme.

Ihr Vortrag endete mit einer Diskussion über die praktische Anwendung von CLA und betonte das Potenzial, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren und transformative Ansätze in der Zukunftsplanung zu fördern. Voung hob hervor, wie die Methode genutzt werden kann, um bestehende Narrative herauszufordern und systemischen Wandel durch die Rahmung von Diskursen zu bewirken.

Impuls 2: Die CLA in der Praxis, ein Beispiel von Jörg Blechschmidt (DB Systel)

In seinem Vortrag gab Jörg Blechschmidt einen Einblick in die Arbeit seines Teams bei DB Systel, der digitalen Tochter der Deutschen Bahn, die sich auf digitale Trends konzentriert, um sowohl das eigene Produktportfolio als auch den Einfluss auf die gesamte Bahn zu definieren. Blechschmidt erläuterte, wie sein Team externe Quellen nutzt, um branchenspezifisches Wissen in den Bahnkontext einzubetten und dabei eng mit internen und externen Expert*innen zusammenarbeitet.

Im Rahmen eines Strategieprozesses entwickelte sein Team ein Zukunftsbild für das Jahr 2035, das auf einer umfassenden Analyse von Trends und Daten basierte. Mit Hilfe von Trendradars und Szenarioanalysen wurden das wahrscheinlichste Zukunftsszenario herausgearbeitet und die für die Unternehmensstrategie relevanten Handlungsfelder identifiziert. Auf diese Weise konnten Spannungsfelder aufgezeigt und Strategiediskussionen angestoßen werden.

Im zweiten Teil der Präsentation ging Jörg auf den Einsatz der Causal Layered Analysis (CLA) ein, die es ermöglichte versteckte Annahmen und Verzerrungen in ihrer strategischen Planung zu identifizieren. Das Team zog externe Expert*innen hinzu, um die tieferen Schichten ihrer Annahmen – von expliziten Informationen bis hin zu unbewussten Mythen und Metaphern – mit einer frischen Perspektive zu analysieren. Diese tiefere Reflexion führte zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit dem eigenen Technologieoptimismus und anderen Grundüberzeugungen.

Die daraus resultierenden Erkenntnisse und die breitere Einbindung strategischer Denker*innen im Unternehmen führten zu einer verbesserten strategischen Vorausschau. Blechschmidt betonte, wie dieser Ansatz das Verständnis für die eigene digitale Zukunft bei DB Systel erweiterte und die Grundlage für eine offene und kritische Reflexion interner Weltbilder geschaffen hat.

Break Out Räume zur CLA

Die Teilnehmer*innen diskutierten in Kleingruppen verschiedene Aspekte der CLA, einschließlich der Bedeutung von Reframing und Perspektivenwechsel, um traditionelle Denkmuster zu überwinden. Es wurde betont, dass Veränderungen nicht über Nacht geschehen und sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene Zeit und Engagement erfordern.

Die CLA wurde als wirksames Instrument zur Selbstreflexion und zur Identifizierung kultureller Voreingenommenheit angesehen. Es wurde betont, wie wichtig es ist, verschiedene Perspektiven oder Ansätze zu nutzen, um eine umfassende Analyse durchzuführen und Gestaltungsmöglichkeiten zu finden.

Die Teilnehmer*innen diskutierten auch die Rolle externer Berater*innen und stellten fest, dass diese eine gewisse Freiheit haben, unkonventionelle Ideen einzubringen. Es wurde jedoch betont, dass die strategische Ableitung und Umsetzung nach der CLA entscheidend sind, um in der Praxis belastbare Ergebnisse zu erzielen.

Es wurde auch über die Herausforderungen gesprochen, die mit der CLA verbunden sind, wie z.B. die Fähigkeit zur tiefgreifenden Analyse und die Balance zwischen psychologischer Sicherheit und kritischer Auseinandersetzung. Die Community waren sich einig, dass die CLA mehr Zeit als einen kurzen Workshop benötigt, um effektiv angewendet zu werden.

Insgesamt wurde die CLA als anregende Methode angesehen, die den Austausch fördert und unterschiedliche Erfahrungen in der Praxis ermöglicht. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass der Hype um die CLA manchmal zu groß sein kann und dass das Thema Kultur oft vernachlässigt wird, obwohl es einen großen Einfluss hat.

Fazit: KZF Event #3 mit der CLA im Fokus

Die Online-Veranstaltung zur Causal Layered Analysis bot einen vertieften Einblick in die Anwendung der Methode, sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive. Die Beiträge von Isabelle Voung und Jörg Blechschmidt zeigten eindrücklich, wie CLA genutzt werden kann, um tief verwurzelte Annahmen zu hinterfragen und transformative Strategien zu entwickeln. Die intensiven Diskussionen unterstrichen zudem die Bedeutung von Diversität und interdisziplinärer Zusammenarbeit in der Zukunftsforschung.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass CLA weit mehr als ein analytisches Werkzeug ist: Es ist ein kritischer Ansatz, um Zukunftsbilder neu zu interpretieren und ein umfassenderes Verständnis gesellschaftlicher Herausforderungen zu fördern. Diese Einsichten regen zu einer aktiven und bewussten Gestaltung der Zukunft an und motivieren zur weiteren Verbreitung und Anwendung der CLA in verschiedenen Sektoren.

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KZF-Communityevent #2: Rückblick

Einführung in das Event

Das zweite Communityevent unter dem Motto ‚Kritische Zukunftsforschung in der Praxis‘ versammelte über 20 Teilnehmende, um tiefgründige Einblicke und Diskussionen rund um die Anwendung kritischer Zukunftsforschung zu teilen. Drei Vortragende präsentierten ihre Erkenntnisse in kurzen, fünfminütigen Impulsen, die anschließend in Kleingruppen und im Plenum reflektiert wurden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die präsentierten Themen und die lebhaften Diskussionen, die unsere Community bereichert haben.

Impuls 1: Blindspots of New Work von Anika Keils

Anika Keils beleuchtete in ‚Blindspots of New Work‘ die Vernachlässigung geschlechts- und intersektionaler Machtverhältnisse im Arbeitskontext. Ihre Forschung zielte darauf ab, die unausgesprochenen Voraussetzungen und blinden Flecken der ‚Neuen Arbeit‘ zu identifizieren, die strukturelle Defizite und Marginalisierung perpetuieren könnten. Sie deckte auf, wie der Mythos der Meritokratie strukturelle Ungleichheiten und die Notwendigkeit einer gerechten Verteilung von Care-Arbeit ignoriert, indem er sich auf individualisierte Selbstverwirklichung konzentriert. Keils Arbeit fordert eine kritische Reflexion der ‚Neuen Arbeit‘ hinsichtlich ihrer Fürsorgepflichten und der idealisierten Vorstellung eines „unbelasteten“ Arbeitnehmers, der von sozialen und familiären Verpflichtungen losgelöst ist.

Ihre Handlungsempfehlungen plädieren für einen Wechsel von individueller zu kollektiver Handlungsfähigkeit, die Umverteilung von Care-Arbeit für mehr Selbstbestimmtheit und eine Neubewertung von „Arbeit“, die intersektionale Gerechtigkeit berücksichtigt. Diese kritische Perspektive zielt darauf ab, ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu fördern, das alle Lebensrealitäten anerkennt und wertschätzt.

Impuls 2: Wünsche als Impulse für Transformation von Jannis Hülsen

Jannis Hülsen, selbstständiger Designer, präsentierte das transformative Projekt ‚Wünsche an morgen‘, das im Wissenschaftsjahr 2022 initiiert wurde. Das Projekt untersuchte, wie Wünsche gesellschaftliche Veränderungen anstoßen können, indem es an fünf ländlichen Standorten durchgeführt wurde. Jannis nutzte Wünsche als Mittel, um Menschen dazu zu bringen, sich eine Zukunft vorzustellen und daraus konkrete Handlungsansätze abzuleiten. In den ‚Wunschlaboren‘ wurden aus den gesammelten Wünschen Fragen entwickelt, die wiederum in ‚Wunschlandkarten‘ mündeten, um individuelle und kollektive Anliegen zu differenzieren und spezifische Handlungsoptionen zu formulieren.

Ein konkretes Ergebnis dieser Methode ist der kostenlose Fahrradverleih in Schmalkalden, Südthüringen, der auf der Basis von Fahrradspenden aufgebaut wurde. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie aus dem Prozess der Wunscherhebung und Gemeinschaftsbeteiligung praktische und selbstorganisierte Initiativen entstehen können. Es zeigt die Effektivität von offenen, partizipativen Prozessen bei der Entwicklung und Finanzierung gemeinnütziger Projekte und betont die Rolle von Wünschen als kraftvolle Impulse für gesellschaftliche Transformationen.

Impuls 3: Loosening the Future von Johannes Kleske

Johannes Kleske, Mitbegründer unserer Community, teilte tiefgreifende Einsichten in die kritische Zukunftsforschung und deren Potenzial, vorherrschende Zukunftsbilder zu dekonstruieren. Durch gezielte Fragen wie „Wer propagiert diese Zukunft?“, „Wer kommt in dieser Zukunft vor – und wer nicht?“ und „Wer gewinnt in dieser Zukunft?“ lud er dazu ein, die Beschaffenheit und Erreichbarkeit gewünschter Zukünfte kritisch zu reflektieren. Diese Fragen dienen als Werkzeuge, um zu erkunden, welche Mächte und Interessen hinter bestehenden Zukunftsvisionen stehen und wie alternative Zukünfte gestaltet werden können.

Diese kritische Auseinandersetzung lädt dazu ein, nicht nur über die Erreichbarkeit von Zukünften nachzudenken, sondern auch über die dahinterstehenden Geschichten und Überzeugungen. Es geht darum, zu hinterfragen, wer in den Debatten um die Zukunft die Agenda bestimmt und wer als Gatekeeper im öffentlichen Raum der Zukunft agiert. Indem wir solche Fragen stellen, können wir beginnen, die Machtstrukturen zu dekonstruieren, die unsere Vorstellungen von der Zukunft formen, und Wege finden, wie wir diese Zukunft gemeinsam gestalten können, sodass sie inklusiver und gerechter wird.

Offene Abschlussrunde: Kritische Reflexion und der Weg nach vorn

Die Abschlussrunde des KZF-Communityevent #2 hat eindrucksvoll unterstrichen, wie essentiell das Stellen von Fragen für den Prozess des Handelns und der Veränderung ist. Teilnehmende betonten, dass bereits die Formulierung einer Frage ein erster Schritt in Richtung einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Status Quo ist – sei es dessen Veränderung oder Erhaltung. Die Diskussion eröffnete einen tiefgründigen Dialog über die Komplexität von Veränderungsprozessen und die oft unterschätzte Kraft von Nicht-Handlung als eine Form der Veränderung. Es wurde hervorgehoben, dass sowohl die Beibehaltung des Bestehenden als auch die Anstrengung einer Haltungsveränderung bedeutende Energie erfordern, was deren Unpopularität in Teilen erklärt.

Die Bedeutung von Zukunftsforschung und Szenarioarbeit wurde besonders betont, vor allem im Hinblick auf bevorstehende Herausforderungen und die Notwendigkeit von Veränderungen. Dabei wurde klar, dass eine gründliche Analyse allein nicht ausreicht, um Akzeptanz zu erzeugen oder zum Handeln zu motivieren. Die Diskussion beleuchtete die Dringlichkeit, Brücken zwischen theoretischer Szenarioarbeit und praktischem Handeln zu bauen, um wirkliche Veränderungen zu bewirken.

Ein weiterer zentraler Diskussionspunkt war die Unterscheidung zwischen den Konzepten des Gestaltens und des Verhaltens. Die Teilnehmenden regten an, über „Design“ als bewusste Synthese von Gestaltung und Verhalten nachzudenken, um so die Wechselwirkungen zwischen Absichten, Handlungen und deren Auswirkungen auf die Zukunft zu verstehen. Diese abschließende Runde bot nicht nur einen Rahmen für reflektierte Diskussionen, sondern auch wertvolle Einblicke in die Dynamiken von Veränderungsprozessen und die Rolle der Zukunftsforschung bei der Gestaltung kommender Realitäten.

Fazit

Das KZF-Communityevent #2 hat eindrucksvoll demonstriert, welche Vielfalt und Tiefe die Beschäftigung mit kritischer Zukunftsforschung bieten kann, und hat deutlich die Vorfreude auf eine Fortsetzung geweckt. Nachdem das erste Event die grundlegende Definition der kritischen Zukunftsforschung thematisierte und das zweite Event den Praxisbezug in den Mittelpunkt stellte, wird das dritte Event an der spannenden Schnittstelle von Theorie und Anwendung ansetzen. Es widmet sich der prominentesten Methode der kritischen Zukunftsforschung und verspricht, die Diskussion weiter zu vertiefen.

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KZF-Communityevent #1: Rückblick


Die Teilnehmer*innen des KZF-Communityevent #1, darunter Transformationsbegleiter*innen, Künstler*innen und Innovationsmanager*innen, verkörpern das vielfältige Interesse an kritischer Zukunftsforschung (KZF). Der Blogbeitrag reflektiert diese anhand ihrer Notizen zum Impuls von Nele Fischer und anschließenden Breakout-Sessions. Abschließend gibt ein Ausblick auf 2024 einen Eindruck davon, was diese Community vor haben könnte: Was bedeutet „kritisch“? Was sind konkrete Methoden der KZF und wie könnte sich Theorie und Praxis weiter annähern?

Der Text wurde maßgeblich durch die Mitwirkung von ChatGPT realisiert – entschuldigt daher die teils etwas steife Sprache.

Die Teilnehmenden des KZF-Communityevents #1

Das Event zog eine vielseitige Gruppe von Teilnehmer*innen an, darunter Transformationsbegleitende, Zukunftsforschende, Innovationsmanager*innen, kritische Designforscher*innen und Künstler*innen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen. Die Teilnehmenden betonen in ihrer Vorstellung ihre verschiedenen Zugänge zu Zukunft und Zukünften, sie betonten die Notwendigkeit von Veränderung und noch schlaueren Innovationen. Die Bandbreite der Interessen reichte von politischer Psychologie über Sicherheitspolitik bis zu Designprozessen und Nachhaltigkeit. Insgesamt scheint die Community geprägt von Neugier, Interesse an kreativen Gestaltungsprozessen und einer vielschichtige Auseinandersetzung mit Zukunftsfragen.

Vielfältige Bezüge zur kritischen Zukunftsforschung

Die Teilnehmer*innen zeigen ein breites Interesse an kritischer Zukunftsforschung (KZF). Einige beteiligen sich an Seminaren und Übungen, forschen dazu und experimentieren mit kritischen Ansätzen in Projekten. Die Themen reichen von der Schnittstelle von KZF und Technologie bis zur Rolle von Zukunft in der Gesellschaft. Es besteht ein gemeinsames Verständnis, dass Zukunftsgestaltung nur dann sinnvoll ist, wenn bestehende Konzepte hinterfragt werden. Ethik, Visionen und die Reflexion von Macht und Kritik sind ebenfalls zentrale Aspekte. Einige Teilnehmer*innen suchen nach konkreten Anwendungen für KZF in Workshops, während andere vor allem nach theoretischer Verortung und einem tieferen Verständnis dieser Disziplin streben.

Notizen der Teilnehmenden zum Impuls: „Vorschläge für ein Verständnis der spezifischen Perspektive“

Die Notizen der Teilnehmenden zu Nele Fischers zehn Minütigem Impuls auf dem Miro-Board lassen sich grob folgendermaßen zusammenfassen: Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Konstruktionsparametern der gegenwärtigen Wahrnehmung von Welt, darunter Werte, Motivationen und Glaubenssätze. Dazu passend spielte der kritische Moment des Hinterfragens des Präfigurierten und die Aufforderung, den eigenen Denkrahmen zu beobachten und zu verschieben, eine große Rolle. Die Bedeutung von Kritischer Zukunftsforschung als „Störenfried“, ihre Nähe zu Ideologiekritik und die Aufforderung, Differenzen auszuhalten, bilden weitere thematische Anknüpfungspunkte.

Die folgende Grafik stellt recht prägnant den Perspektivwechsel dar, den die kritische Zukunftsforschung anbietet. Das Trichtermodell (was beispielsweise für die Szenariotechnik verwendent wird) kann nur aus der jeweils individuellen Perspektive des gestaltenden Akteurs heraus entstehen. Die kritische Zukunftsforschung möchte genau an dem Moment der Konstruktion der Gegenwart ansetzen und hinterfragen, anhand welcher Prämissen und Grundlagen diese Perspektive begründet wird. Aus dieser Frage heraus, lässt sich das Trichtermodell auf der Vertikalen verschieben und damit auf gänzlich andere denkbare Zukünfte schließen.

Zusammenfassung der Gruppendiskussion im Anschluss

In den sechs Breakout-Sessions nach Nele Fischers Impuls ging es insbesondere um vielfältige Perspektiven und wie zwischen diesen gewechselt werden kann. Die Bedeutung der somatischen Ebene und die Herausforderung, starre Denkrahmen zu durchbrechen, wurden betont. Diskussionen über die Produktivität von Störungen und die Frage nach der Bedeutung von „kritisch“ in Zukunftsforschung prägten die Gespräche. Es wurde reflektiert, wie Störungen durch (Design-)Praxis genutzt werden können, um die Qualität von Zukünften, Zukunftsbildern oder Szenarien zu fördern. Die Rolle der Zukunftsforschung bei der Mündigwerdung des Individuums und die Vielfalt von kreativen Methoden wurden ebenfalls thematisiert.

Die Frage, ob kritische Zukunftsforschung wirklich stört, betont eine bestehende Unsicherheit des eigenen Selbstverständnisses. Die Differenzierung zwischen kritischer Zukunftsforschung als Disziplin oder Mindset betont die Vielseitigkeit des Zugangs und wirft die Frage auf, wie diese Unterscheidung die Praxis beeinflusst. Des Weiteren unterstreicht die Auseinandersetzung mit der „richtigen“ Verschiebung des Zukunfts-/Szenario-Trichters und dem Zeitpunkt, an dem ein „Störimpuls“ als übergriffig empfunden wird, die Herausforderungen und ethischen Überlegungen in diesem Kontext. Schließlich zeigt die Diskussion über die Bedeutungshoheit von „kritisch“ und wer dazu befähigt ist, zu sprechen, dass die im entstehen begriffene Community einige große Fragen zu klären hat.

Ausblick auf 2024

In der Schlussrunde wünschen sich die Teilnehmenden für Folge-Events im Jahr 2024 einen Fokus auf die Weiterentwicklung konkreter Methoden und Interventionen für die kritische Zukunftsforschung. Zudem streben sie eine verstärkte Verbindung zwischen Theorie und Praxis an und betonen die Bedeutung von Diversität sowie Intersektionalität in Bezug auf Zukünfte. Es besteht ein Interesse an der Sammlung aktueller Erzählungen der Gegenwart und deren Auswirkungen sowie an der Reframing-Möglichkeit für Futures Funnels.

Einen persönlichen Ausblick haben auch Johannes und Jonas basierend auf ihrem Jahresrückblick auf die kritische Zukunftsforschung im neusten Podcast gewagt:

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Allgemein

Hallo Kritische Zukunftsforschung! Wer bist du denn?

Das hier ist ein Experiment. Nele Fischer war so nett, dem KZF-Team intern schon mal in fünf Minuten ihr Verständnis von kritischer Zukunftsforschung vorzustellen. Jonas hat skizzenhaft mitgeschrieben, ChatGPT einen Blogbeitrag schreiben lassen, den Nele nochmal leicht angepasst hat. Das also ist ein Deutungsversuch und gleichzeitig ein Spiegel:

Die kritische Zukunftsforschung geht von der Annahme aus, dass aktuelle Vorstellungen von der Zukunft maßgeblich durch unser gegenwärtiges Denken und unser heutiges Weltbild geprägt sind. Auch wünschbare Zukünfte bleiben oft innerhalb dieser Denkrahmen. Kritische Zukunftsforschung untersucht u.a., warum bestimmte Zukunftsvorstellungen in der Gegenwart dominieren, wer welche Diskurse prägt und ob es alternative Denkweisen gibt, die andere Zukunftsbilder und Orientierungsrahmen öffnen können.

Das zentrale Anliegen der kritischen Zukunftsforschung ist es, die Konstruktionsbedingungen unserer Vorstellungen von der Zukunft zu hinterfragen: Was wird als möglich und was als unmöglich betrachtet? Und inwiefern können diese Einschätzungen verändert oder verschoben werden? Die kritische Zukunftsforschung sucht nach Ansätzen, um solche Denkrahmen explizit und damit verhandelbar zu machen – und sie zu verschieben.

Es gibt unterschiedliche Ansätze unter der Selbstbezeichnung kritische Zukunftsforschung (oder Crticial Futures Studies), beispielsweise von Inayatullah, Slaughter oder Goode und Godhe. Gemeinsam sind ihnen theoretische Bezugspunkte auf soziale Konstruktionismen sowie hermeneutisches und poststrukturalistisches Denken. In Bezug auf methodische Zugänge lassen sich grob mindestens zwei Richtungen aufzeigen. Die erste ist stärker diskursanalytisch ausgerichtet und untersucht, wie bestimmte Vorstellungen von der Zukunft über Zeit und durch verschiedene Akteure geprägt und fortgetragen werden. Die zweite Methode fokussiert auf die Analyse und Verschiebung von Denkrahmen innerhalb konkreter Zukunftsbilder.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die kritische Zukunftsforschung einen alternativen Blick auf die Vorstellungen von der Zukunft bietet, indem sie die zugrunde liegenden Denkrahmen hinterfragt. Sie will nicht nur verstehen, wie wir über die Zukunft denken, sondern auch, warum wir das tun und wie dieses Denken geändert werden kann.

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Podcast Staffel 2: Von der Theorie in die Praxis

In Staffel 1 haben wir unseren theoretischen Zugang zu kritischer Zukunftsforschung begonnen auszuleuchten. In Staffel 2 diskutieren wir, was jetzt aus dem Projekt werden könnte. Alles immer im vollen Bewusstsein, dass das hier kein hochseriöser Podcast ist, sondern nur dienlich im Sinne eines iterativen Vorwärtstastens.

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Podcast

Podcast Staffel 1: Unser theoretischer Zugang zu KZF

Johannes Kleske und Jonas Drechsel diskutieren, was kritische Zukunftsforschung für sie ist. Dabei greifen sie auf wissenschaftliche Paper zurück, die sie interpretieren. Das ganze ist im Prinzip eine halböffentliche Fortführung der privaten Gespräche der beiden, die zwar ganz nett waren, aber dem Thema keine Öffentlichkeit hinzufügen konnten. Das zu ändern, scheint uns dringend nötig!

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