Am 9. September 2024 fand unser neuestes KZF-Event statt, dieses Mal in einem praxisnahen Werkstatt-Format. Ziel war es, sich gemeinsam dem Kritik-Begriff anzunähern: Ist Zukunftsforschung nicht immer kritisch? Was bedeutet „kritisch“ überhaupt, und warum ist es wichtig? Diese Fragen standen im Mittelpunkt unserer Diskussion zum Thema Kritik.
„… Was für das kontinuierliche Wachstum des Wissens gebraucht wurde, war eine Tradition der Kritik. Vor der Aufklärung war das eine sehr seltene Tradition: Normalerweise war der Sinn einer Tradition, Dinge unverändert zu lassen.“ – D. Deutsch, The Beginning of Infinity, S. 13
Der Beitrag wurde von Jannis Hülsen im Pingpong mit Jonas Drechsel geschrieben.
Vorbereitung der Kritik-Werkstatt
Die Kritik-Werkstatt war das Ergebnis monatelanger Arbeit eines Kernteams. Nele Fischer (kritische Zukunftsforscherin), Oliver Lauenstein (Experte für kritische Theorie und Psychologie), Jordi Tost (Doktorand für kritisches Design) und Jonas Drechsel (Mitgründer der KZF-Community) beschäftigten sich intensiv mit verschiedenen Konzepten der Kritik und ihrer Anwendung in der Zukunftsforschung.
Das Projekt begann im Mai mit der Idee, Kritikstufen zu entwickeln, ähnlich wie bei den Stufen der Partizipation. Dabei merkten wir aber schnell, dass Stufen der Kritik unerwünschte Hierarchien suggerieren könnten.
Das Ziel war, einen ersten Prototyp für ein Kritik-Framework zu entwickeln, das in der Werkstatt getestet werden sollte.
Die Kritik-Matrix und Breakout-Sessions
Der Workshop begann mit einem interaktiven Einstieg, bei dem Momente der Kritik und berühmte Kritiken auf einem Board festgehalten wurden. Dies führte sofort zu angeregten Diskussionen und prägte die weiteren Gespräche.
Nach der Vorstellung der Kritik-Matrix wurden Gruppen gebildet, um die Matrix anhand von Beispiel-Fragen zu testen.
In der Gruppe des Autors wurde ein Szenario diskutiert, in dem ein Vorstand sein eigenes Team emotional kritisiert. Dabei wurden theoretische Fragen zur Kommunikation besprochen. Der Fokus lag auf der Rolle von Emotionen und der Art, wie explizite und implizite Botschaften vermittelt werden.
Die Gruppe beschäftigte sich auch mit der praktischen Anwendung der Matrix, wobei besonders die vertikale Achse (Was, wer, wie, warum) im Mittelpunkt stand. Auch der Rahmen, in dem Kritik geäußert wird (Zeitpunkt, Ort, Beziehung), wurde diskutiert.
Es wurde klar, dass die „Stufen der Kritik“ nicht hierarchisch sein sollten, aber als Kategorien hilfreich waren. Darüber hinaus boten die W-Fragen (z. B. „wo“ und „wann“) viel Diskussionsstoff und wurden in den Gruppen unterschiedlich interpretiert.
Im abschließenden Austausch zeigte sich, dass die Matrix vor allem zur Selbstreflexion des Kritisierenden anregte, aber auch als Entwurfswerkzeug dienen könnte. Eine wichtige Frage war der mögliche Effekt und das Ziel der Kritik.
Feedback und Ausblick
Der Austausch zeigte, dass großes Interesse daran besteht, sich weiter mit dem Thema Kritik zu beschäftigen. Die Referenz zu den Stufen der Kritik war für viele hilfreich, aber die Anordnung der Kritikformen und die Anwendung der Matrix müssen noch vertieft werden. Vor allem die Einbeziehung von Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen über die W-Fragen führte teilweise zu Verwirrung.
Der Spannungsbogen zwischen Selbstkritik, Kritik als Entwicklungsmotor und Kritik als Selbstzweck (oder emotionaler Ausdruck) bleibt ein fruchtbares Thema für weitere Diskussionen. Es wurde auch rege über das Gegenteil von Kritik (z. B. Lob oder Schweigen) diskutiert. Ebenso war der normative Rahmen der Kritik, also der kulturelle Einfluss, ein großes Thema.
Im November wird es ein weiteres Event zu diesem Thema geben. Stay tuned – mehr Kritik incoming!