Am Vormittag des 9. April trafen sich Mitglieder und Interessierte der kritischen Zukunftsforschungs-Community beim mittlerweile dritten Event. Schon vor dem offiziellen Beginn um 9 Uhr versammelten sich die Teilnehmenden in einem virtuellen Raum, um mit einer Tasse Kaffee auf die Tiefen der Causal Layered Analysis (CLA) vorzubereiten. Diese von Sohail Inayatullah entwickelte Methode stand im Mittelpunkt des Treffens. In zwei Impulsen wurden 1. die Methode und 2. ein konkreten Beispiel vorgestellt. Die Veranstaltung war geprägt von intensivem Austausch und produktivem Weiterdenken, wobei jede*r Teilnehmer*in die Möglichkeit hatte, sich aktiv einzubringen und persönliche Erkenntnisse zu teilen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die vorgestellten Impulse und die inspirierenden Diskussionen, die unsere virtuelle Community bereichert haben.
Impuls 1: CLA-Methodenvorstellung von Isabelle Voung
Isabelle Voung stellte sich der Herausforderung, die komplexe Causal Layered Analysis (CLA) von Sohail Inayatullah in nur 10 Minuten zu erläutern. Zu Beginn ihres Vortrags skizzierte sie den biographischen Hintergrund Inayatullahs und erläuterte, wie seine Erfahrungen als pakistanisch-australischer Politikwissenschaftler zwischen Ost und West die Entwicklung der CLA beeinflusst haben. Die Methode, die darauf abzielt, hegemoniale westliche Sichtweisen herauszufordern, dekonstruiert und rekonstruiert Zukünfte durch das Aufdecken von Schichten – von offensichtlichen Phänomenen bis hin zu tiefen, lang anhaltenden kulturellen Prägungen.
Voung erläuterte, wie die CLA durch vier Ebenen navigiert: von der oberflächlichen Litanei über systemische Ursachen und Weltanschauungen bis hin zu den tiefen Mythen, die unsere Wahrnehmung der Realität prägen. Dieser Ansatz ermögliche eine kritische Auseinandersetzung mit verborgenen Machtstrukturen und fördere ein umfassenderes Verständnis gesellschaftlicher Probleme.
Ihr Vortrag endete mit einer Diskussion über die praktische Anwendung von CLA und betonte das Potenzial, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren und transformative Ansätze in der Zukunftsplanung zu fördern. Voung hob hervor, wie die Methode genutzt werden kann, um bestehende Narrative herauszufordern und systemischen Wandel durch die Rahmung von Diskursen zu bewirken.
Impuls 2: Die CLA in der Praxis, ein Beispiel von Jörg Blechschmidt (DB Systel)
In seinem Vortrag gab Jörg Blechschmidt einen Einblick in die Arbeit seines Teams bei DB Systel, der digitalen Tochter der Deutschen Bahn, die sich auf digitale Trends konzentriert, um sowohl das eigene Produktportfolio als auch den Einfluss auf die gesamte Bahn zu definieren. Blechschmidt erläuterte, wie sein Team externe Quellen nutzt, um branchenspezifisches Wissen in den Bahnkontext einzubetten und dabei eng mit internen und externen Expert*innen zusammenarbeitet.
Im Rahmen eines Strategieprozesses entwickelte sein Team ein Zukunftsbild für das Jahr 2035, das auf einer umfassenden Analyse von Trends und Daten basierte. Mit Hilfe von Trendradars und Szenarioanalysen wurden das wahrscheinlichste Zukunftsszenario herausgearbeitet und die für die Unternehmensstrategie relevanten Handlungsfelder identifiziert. Auf diese Weise konnten Spannungsfelder aufgezeigt und Strategiediskussionen angestoßen werden.
Im zweiten Teil der Präsentation ging Jörg auf den Einsatz der Causal Layered Analysis (CLA) ein, die es ermöglichte versteckte Annahmen und Verzerrungen in ihrer strategischen Planung zu identifizieren. Das Team zog externe Expert*innen hinzu, um die tieferen Schichten ihrer Annahmen – von expliziten Informationen bis hin zu unbewussten Mythen und Metaphern – mit einer frischen Perspektive zu analysieren. Diese tiefere Reflexion führte zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit dem eigenen Technologieoptimismus und anderen Grundüberzeugungen.
Die daraus resultierenden Erkenntnisse und die breitere Einbindung strategischer Denker*innen im Unternehmen führten zu einer verbesserten strategischen Vorausschau. Blechschmidt betonte, wie dieser Ansatz das Verständnis für die eigene digitale Zukunft bei DB Systel erweiterte und die Grundlage für eine offene und kritische Reflexion interner Weltbilder geschaffen hat.
Break Out Räume zur CLA
Die Teilnehmer*innen diskutierten in Kleingruppen verschiedene Aspekte der CLA, einschließlich der Bedeutung von Reframing und Perspektivenwechsel, um traditionelle Denkmuster zu überwinden. Es wurde betont, dass Veränderungen nicht über Nacht geschehen und sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene Zeit und Engagement erfordern.
Die CLA wurde als wirksames Instrument zur Selbstreflexion und zur Identifizierung kultureller Voreingenommenheit angesehen. Es wurde betont, wie wichtig es ist, verschiedene Perspektiven oder Ansätze zu nutzen, um eine umfassende Analyse durchzuführen und Gestaltungsmöglichkeiten zu finden.
Die Teilnehmer*innen diskutierten auch die Rolle externer Berater*innen und stellten fest, dass diese eine gewisse Freiheit haben, unkonventionelle Ideen einzubringen. Es wurde jedoch betont, dass die strategische Ableitung und Umsetzung nach der CLA entscheidend sind, um in der Praxis belastbare Ergebnisse zu erzielen.
Es wurde auch über die Herausforderungen gesprochen, die mit der CLA verbunden sind, wie z.B. die Fähigkeit zur tiefgreifenden Analyse und die Balance zwischen psychologischer Sicherheit und kritischer Auseinandersetzung. Die Community waren sich einig, dass die CLA mehr Zeit als einen kurzen Workshop benötigt, um effektiv angewendet zu werden.
Insgesamt wurde die CLA als anregende Methode angesehen, die den Austausch fördert und unterschiedliche Erfahrungen in der Praxis ermöglicht. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass der Hype um die CLA manchmal zu groß sein kann und dass das Thema Kultur oft vernachlässigt wird, obwohl es einen großen Einfluss hat.
Fazit: KZF Event #3 mit der CLA im Fokus
Die Online-Veranstaltung zur Causal Layered Analysis bot einen vertieften Einblick in die Anwendung der Methode, sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive. Die Beiträge von Isabelle Voung und Jörg Blechschmidt zeigten eindrücklich, wie CLA genutzt werden kann, um tief verwurzelte Annahmen zu hinterfragen und transformative Strategien zu entwickeln. Die intensiven Diskussionen unterstrichen zudem die Bedeutung von Diversität und interdisziplinärer Zusammenarbeit in der Zukunftsforschung.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass CLA weit mehr als ein analytisches Werkzeug ist: Es ist ein kritischer Ansatz, um Zukunftsbilder neu zu interpretieren und ein umfassenderes Verständnis gesellschaftlicher Herausforderungen zu fördern. Diese Einsichten regen zu einer aktiven und bewussten Gestaltung der Zukunft an und motivieren zur weiteren Verbreitung und Anwendung der CLA in verschiedenen Sektoren.